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Die „Straßen des Führers“
Ein fortwirkender Propagandasieg des „Dritten Reiches“

von Thomas Lange

Überarbeitete und ergänzte Version eines Beitrages aus : Geschichte lernen, Heft 57 (1997), S. 42-47.

 

Darstellender Text
Anmerkungen
Materialien
Didaktische Hinweise

Die deutschen Autobahnen sind wohl das einzige Erbe der Hitler-Diktatur, auf das viele Deutsche heute noch (fast) uneingeschränkt positiv reagieren. Der Bau dieser Nur-Autostraßen war logische Konsequenz der seit den 20er Jahren zunehmenden Motorisierung. Erst die ökologische Bewegung der 80er Jahre hat mit neuen Denkansätzen den Autoverkehr nicht mehr als Lösung, sondern als Problem erkannt. Dennoch: Zu unserer Alltagserfahrung gehören Fahrten auf Autobahnen ebenso wie die häufig geäußerten Ansichten, daß sie „von Hitler“ gebaut wurden. Meist schließt sich - zumindest bei Älteren - noch der Verweis darauf an, daß damit „die Arbeitslosen von der Straße“ geholt worden seien.

Es ist Ziel dieser Unterrichtseinheit, dies als Fernwirkung der Hitlerschen Propaganda zu analysieren, indem erstens über die tatsächlichen Vorgänge bei Planung und Durchführung der Autobahnbauten informiert wird und zweitens die Mechanismen und Ansatzpunkte deutlich gemacht werden, denen diese Propaganda ihren (bis heute andauernden) Erfolg verdankt.

 

Autobahnplanung vor 1933

Die Geschichte der deutschen Autobahnen [1] geht noch vor das Jahr 1914 zurück. Nach amerikanischem (Indianapolis) und englischem (Brookland) Vorbild wurde als Rennstrecke die „Automobil Verkehrs- und Übungs-Straße“ bei Berlin konzipiert: ohne Kreuzungen und Querwege, mit zwei voneinander getrennten Fahrbahnen mit Teerbelag und stark überhöhten Kurven an den beiden Enden. Die Bauar- beiten für die „AVUS“ begannen schon 1912, doch fertiggestellt wurde sie erst 1921. Bereits Ende der 20er Jahre war das Konzept „Auto- bahn“ dann auch für den Personen- und Güterverkehr technisch fertig durchdacht. Praktisch durchgeführt wurde es aber zuerst in Italien, wo die private „Società Anonyma Autostrade“ schon 1924 eine erste kreuzungsfreie Autostraße (wenn auch noch ohne getrennte Richtungsfahrbahnen) zwischen Mailand und den oberitalienischen Seen erbaute. Bis 1935 waren schon über 400 km weitere Strecken fertiggestellt, die gegen Gebühr ausschließlich von PKW und LKW befahren werden konnten.

In Deutschland befaßten sich seit Mitte der 20er Jahre in verschiedenen Interessenverbänden Vertreter von Baufirmen, Banken und staatlicher Verwaltung mit der Planung von Fernstraßennetzen, denn es zeichnete sich ab, daß der Autoverkehr immer weiter zunehmen würde. Noch standen ihm aber nur die gepflasterten Chausseen des 19. Jahrhunderts zur Verfügung. Der rührigste unter den Interessen- verbänden war die 1926 gegründete HAFRABA e.V., dessen Name als Kürzel für das Projekt einer Autostraße Hansestädte - Frankfurt -Basel stand. Diese Strecke sollte das Rückrat eines künftigen mitteleuropäischen Fernstraßen-Netzes sein. [2] Die HAFRABA, in der sich Straßenbaubeamte, Geschäftsleute aus den an der Strecke liegenden Städten sowie Direktoren von Straßenbau- und Zementfirmen vereinigten, wollte - auch mit Ausstellungen (M 2) - für die Idee werben. Seit 1928 erschien monatlich das „HAFRABA-Mitteilungsblatt“, seit dem 1. April 1932 unter dem Titel „Die Autobahn“. Damit war der epochemachende Begriff eingeführt.[3]

Trotz aller propagandistischen Mühen wurden in Deutschland vor 1933 nur eine Umgehungsstraße für Opladen (1931-33) und eine 20 km lange dreispurige Autobahn Bonn-Köln (1929-32) begonnen. Das lag vor allem an der Kostenfrage, denn das italienische Vorbild - Straßennutzungsgebühren - war nach deutschem Recht nicht auf öffentliche Straßen übertragbar. [4] Ein Antrag auf Änderung des betref- fenden Gesetzes scheiterte 1930 im Reichstag am Widerstand von KPD und NSDAP.

In der Wirtschaftskrise der folgenden Jahre griff Reichskanzler Brüning dann die HAFRABA-Planungen - gegen Bedenken der Konkurrenz fürchtenden Reichsbahn - als Grundlage für ein Arbeitsbeschaffungsprogramm auf. Aber sowohl der Plan Brünings wie eine weitere parlamentarische Initiative der HAFRABA gingen 1932 in den politischen Wirren unter. Brüning mußte am 30. Mai 1932 zurücktreten, doch die Pläne lagen so ausgereift vor, daß Hitler schon in seinem ersten Regierungsjahr den Autobahnbau beginnen lassen konnte. Die NS-Propaganda machte daraus eine eigenständige nationalsozialistische Leistung.

 

Der Autobahnbau nach 1933 — ein Mythos wird inszeniert

Obwohl Hitler selbst Autoliebhaber war und einen großen Teil seiner Fahrten zu Propagandaveranstaltungen im Auto zurücklegte, [5] hatten er und die NSDAP im Parlament jede Verwirklichung der HAFRABA-Pläne blockiert. Doch schon bei einer der ersten Reden nach der „Machtübernahme“, zur Eröffnung der Automobilausstellung in Berlin am 18. Februar 1933, forderte Hitler, daß „der Kraftverkehr die für ihn erforderlichen Automobilstraßen erhalten“ sollte. Er erhob Autostraßen zu Maßstäben für den Volkswohlstand. „Wenn man früher die Lebenshöhe eines Volkes oft nach der Kilometerzahl der Eisenbahnen zu messen suchte, wird man in der Zukunft die Kilometerzahl der für den Kraftverkehr geeigneten Straßen anzulegen haben.“[6] Mit den HAFRABA-Plänen bestens vertraut war auch Fritz Todt, Straßenbauingenieur und NSDAP-Mitglied, der Hitler im Januar 1933 die Denkschrift „Straßenbau und Straßenverwaltung“ vorlegte. Hierin schlug er - wie schon Brüning - den Bau von 5-6.000 km Autobahnen als staatliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vor. Todt behauptete sogar, Hitler hätte die Grundidee schon 1924, im Jahr seiner Festungshaft gehabt. Auf einer Kabinettssitzung im März 1933 entschied Hitler, daß ein Netz von Autobahnen gebaut werden solle.

Die NS-Propaganda schnitt nun den gesamten Autobahn-Bau auf Hitler und die NSDAP zu. Die Vorarbeiten der HAFRABA wurden nur noch als Negativ-Kontrast erwähnt: sie sei nur vom „Gedanken der Rentabilität beherrscht“ gewesen, während Hitler darin „vor allem sozialpolitisch ein wichtiges Werkzeug des Aufbaus“ sah.[7] Nur noch zwei Personennamen sollten mit dem Erfolg des Autobahnprojekts verbunden werden: Hitler und Fritz Todt, der von ihm zum „Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen“ ernannt worden war.

Die Arbeiten begannen dort, wo schon die HAFRABA beginnen wollte, an der Teilstrecke Frankfurt - Mannheim, denn diese führte über- wiegend durch Land in öffentlichem Besitz und bot technisch keine verzögernden Schwierigkeiten. Das Neue war dann die propagan- distische Ausgestaltung. Der von Hitler im September 1933 vollzogene „erste Spatenstich“ wurde als Medienereignis ohnegleichen inszeniert (M 3, Abb. 3), um eindrücklich die Gedankenkette einzuprägen: Hitler - Autobahn - Lösung der wirtschaftlichen Probleme durch technischen Fortschritt. Damit begann eine Welle von Berichten über Bau und Eröffnung weiterer Teilstrecken. Zeitungen, Bücher mit Titeln wie: „Granit und Herz. Die Straßen Adolf Hitlers - ein Dombau unserer Zeit“[8], Fotobände, Autobahngemälde [9], vor allem aber Filme [10], die auch das Fahrerlebnis vermitteln konnten, sorgten dafür, daß dieser Fernstraßenbau im deutschen Bewußtsein auf eine nachwirkende Weise verankert und ästhetisiert wurde wie kaum je bei anderen Zweckbauten. Technische Innovationen - besonders bei spektakulären Brückenbauten - werden ebenso bejubelt wie die angebliche Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit durch den Auto- bahnbau, der auch dazu dienen soll, die sozialen Gegensätze in der „Volksgemeinschaft“ zu nivellieren. (M 3)

Noch übertroffen wurde die Inszenierung des „ersten Spatenstichs“ durch diejenige der Eröffnung der ersten fertigen Teilstrecke Frankfurt - Darmstadt am 19. Mai 1935. Die Zeitungsschlagzeilen lassen nun Autobahn und Hitler geradezu in eins verschmelzen. (M 4, Abb. 2 u. 4) Hitler selbst brauchte gar nichts mehr zu sagen. Um ihn als zentrale Symbolfigur drehte sich alles bei dem „Staatsakt“. Dieser selbst bestand aus Reden und Vorbeifahrten, die schon Prozessionscharakter annahmen: erst fuhr Hitler an der Menschenmenge vorbei, dann 5.000 Bauarbeiter vor ihm wie auf einer Paradebahn. Goebbels überhöhte in seiner Rede den Autobahnbau nicht nur mit einer Ewigkeitsperspektive - „Straßen für die Jahrhunderte geplant“ - , sondern lieferte gleich ein komplettes Geschichtsbild dazu: das deutsche Volk wird modern und die Initiative dazu geht vom „Führer“ aus, dem „ersten Arbeiter der Nation“, dem „Vater dieses großen Werkes“, der „über allem ... die Wacht“ hält. In zahlreichen Zeitungsartikeln wurden die Vorzüge der Autobahn ins Bild gesetzt und zugleich immer wieder die Größe der Leistung mit steigernden Adjektiven überhöht: alles ist „gigantisch“, „gewaltig“, „ungeheuer“. (M 4, 5)

 

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Abb. 2: Impressionen von der Eröffnung des ersten Autobahnteilstücks 1935. 12 Uhr Blatt, Mai 1935. Foto: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt. [Anm.: Abb. 1 zeigte einen Gedenkstein an der Autobahnbrücke München-Salzburg und wurde hier weggelassen.]

 

Die Autobahn als soziales und politisches Symbol — Mythen und Legenden

Die Arbeitsbeschaffung durch den Autobahnbau war bei weitem nicht so wirksam, wie es in den Zeitungen suggeriert wurde. Die von den Nationalsozialisten gern immer wieder genannten „Hunderttausende“ reduzieren sich bei genauerem Hinsehen auf knapp 100.000 Arbeiter, die bis 1936 direkt beim Autobahnbau beschäftigt waren (mit Zulieferbetrieben vielleicht 250.000).[11] Durch die steigende Konjunktur in anderen Industriezweigen, besonders in der Rüstung, sank aber die Zahl der Arbeitslosen von 6 Millionen 1932 schon 1936 auf 1,04 Millionen. Auch wurde die Beschäftigung beim Autobahnbau nach politischer Anpassung gesteuert. So fanden 1934 in der direkt an der Autobahnstrecke liegenden Gemeinde Sprendlingen von 700 Arbeitslosen nur 40 Beschäftigung beim Autobahnbau. Als die Bürgermeisterei sich darüber beklagte, erhielt sie zur Antwort, daß Angehörige von NSDAP und Stahlhelm bevorzugt vermittelt würden; da aber „die Gemeinde Sprendlingen überwiegend kommunistisch eingestellt war, [standen] nur einige Volksgenossen aus dieser Gemeinde für die bevorzugte Vermittlung zur Verfügung.“[12]

Auch bestimmte die durch Hitlers symbolischen „ersten Spatenstich“ herausgestellte Handarbeit mitnichten die tägliche Arbeit an der Autobahn. Natürlich wurden die schon seit den 20er Jahren vorhandenen Maschinen eingesetzt, sogar noch verstärkt, als der allgemeine Aufschwung zunehmend in der Industrie Facharbeitskräfte erforderte. Ohne Maschinen hätte auch das angestrebte Ziel von 1.000 km Bauleistung pro Jahr nie erreicht werden können. 1938 trat durch die Hochkonjunktur allgemeiner Arbeitskräftemangel ein, so daß die Abwanderung von den Autobahnbaustellen per Dienstverpflichtung gestoppt werden mußte, bevor der Weiterbau 1941 wegen des Kriegs gegen Rußland eingestellt wurde. Finanziert wurde der Autobahnbau überwiegend durch Kredite und Rücklagen aus der Arbeitslosenversicherung sowie aus der Kraftfahrzeug- und Benzinsteuer.[13]

Ende 1938 konnten bereits 3.000 km Autobahn befahren werden. Genutzt wurden sie weniger vom Güter- als vor allem vom Individual- verkehr. Durch Filme, die Wettfahrten zwischen Autobahn- und Landstraßenfahrten darstellten,[14] wurden die Benutzer in den Gebrauch gewissermaßen „eingeführt“[15] und wurde gleichzeitig ein neues, modernes Lebensgefühl vermittelt: die Einheit von Fahren - Tempo - Geschwindigkeit mit schönen Ausblicken auf die Landschaft.[16] Besonders kriegswichtig war die Autobahn zu keinem Zeitpunkt; wegen Treibstoffmangels wurden Truppen überwiegend mit der Eisenbahn transportiert. Strategische Bedeutung militärischer wie wirtschaftlicher Art wurde der Autobahn vor allem für die Infrastruktur des abgestrebten europaweiten Großdeutschen Reiches zugedacht.

Zum Schluß sei noch auf das Nachleben des Autobahn-Mythos in zwei unterschiedlichen Varianten eingegangen. Da gibt es einmal die Überlieferung von Unterdrückung, Ausbeutung und Widerstand auf den Baustellen. In Berichten an die Exil-SPD wurden 1934 und 1935 immer wieder die schlechte Unterbringung und Bezahlung sowie Antreiberei und Bespitzelung auf den Autobahnbaustellen hervor- gehoben; „Hunger- und Elendsbahn“ sollte der Beiname gewesen sein.[17] Doch derartige negative Berichte aus den Kreisen der ehemaligen SPD-Anhänger werden schon 1936 immer spärlicher. Schließlich klagen die berichtenden früheren Genossen, daß die Arbeiter Selbstbewußtsein und „Arbeiterwürde“ eingebüßt hätten: „sie sind nicht mehr der deutsche Arbeiter, der sie vordem waren“.

Das kann als Zeichen für das zunehmende Einverständnis der Arbeiter mit dem NS-Staat verstanden werden.[18] Auch heute wird die Erinnerung ehemaliger Autobahn-Arbeiter eher von positiven Äußerungen geprägt wie: „Man war froh, daß man Arbeit hatte“, oder: „Es war etwas Neues, dabei sein ist alles.“[19] (vgl. auch M 1) Der Zusammenhang mit gleichzeitiger politischer Unterdrückung, rassistischer Ausgrenzung und Kriegsvorbereitung wird dabei gern ausgeblendet. Offensichtlich hat die positive Propaganda - wie die Autobahnen selbst - die Umstände ihrer Entstehung überdauert.

 

Autobahn03

Abb. 3: Der Beginn des Autobahnbaus Frankfurt-Darmstadt. Das berühmte Foto von Hitlers erstem Spatenstich verwendeten die Nationalsozialisten zu einem Propagandaplakat für die Volksabstimmung am 12. November 1933. Plakat-Sammlung der Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt.

Foto: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt

 

Anmerkungen

1) Ich folge - ohne Einzelnachweise - der Darstellung von Thomas Kunze / Rainer Stommer: “Geschichte der Reichsautobahn”, in: Rainer Stommer (Hrsg.): Reichsautobahn. Die Pyramiden des Dritten Reiches. Marburg 1982, S. 22-48; ebenso anderen Kapiteln in diesem Buch. - Außerdem: Erhard Schütz/Eckhard Gruber: Mythos Reichsautobahn. Bau und Inszenierung der „Straßen des Führers“ 1933-1941. Berlin 1996. - Kurt Kaftan: Der Kampf um die Autobahnen. Geschichte und Entwicklung des Autobahngedankens in Deutschland von 1907-1933. Berlin 1955. - Sebastian Biehl/Rainer Wessely/Mathis Dreher: Verkehrsweg Bergstraße. Die Bergstraße und ihre Bedeutung für Darm- stadt in der Geschichte: Eisenbahn - Autobahn. Beitrag zum Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten 1990/91. - Im übrigen danke ich Herbert Bauch, Stadtarchivar in Langen, für freundliche Hinweise.

2)  Vgl. die Karte in den HAFRABA-Mitteilungen vom Februar 1930, S. 2.

3) Die Autobahn, 1. April / Goethejahr 1932.

4) Die Autostraße Hanse-Städte, Frankfurt, Basel. Tagungsbericht der 1. Verwaltungsrat-Sitzung am 10. Februar 1927 in Frankfurt am Main. Frankfurt am Main 1927, S. 20 f.

5) Hermann Weiß: Autobahnen. In: Wolfgang Benz (Hg.).: Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte. München 1992, S. 40-43.

6) Zit. bei Kaftan (Anm. 1), S. 150, Anm. 35.

7)  Die Planungsarbeiten für die Reichsautobahnen. Zweieinhalb Jahre GEZUVOR. Berlin: Volk und Reich Verlag, 1937. S. 11. - (GEZUVOR = „Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen e.V.“).

8) Kurt Schuder, Braunschweig 1940.

9) S. dazu Kurt H. Lang / Rainer Stommer: „Deutsche Künstler - an die Front des Straßenbaus!“ Fallstudie zur nationalsozialistischen Bildgattung „Autobahnmalerei“. In: Stommer, Reichsautobahn (Anm. 1), S. 91-110.

10) Beispiele aus solchen Propagandafilmen in dem Fernsehfilm „Reichsautobahn“ von Hartmut Bitomsky (1985).

11) nach Kunze/Stommer (Anm. 1), S. 28 ff.

12) Vgl. Heidi Fogel: Nationalsozialismus in der Dreieich. Aufstieg und Herrschaft der NSDAP im heterogen strukturierten Lebens und Erfahrungsraum des südlichen Frankfurter Umlands. Darmstadt und Marburg 1991 (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 85) S. 146 f. - Das Zitat aus: Dieter Rebentisch (Hg.): Dreieich zwischen Parteipolitik und „Volksgemeinschaft“. Fünf Gemeinden in Dokumenten aus der Weimarer Republik und der NS-Zeit. Frankfurt am Main 1984, S. 137 ff.

13) Angaben nach Stommer, (Anm. 1), S. 30 ff, und Kaftan (Anm. 1), S. 162 f.

14) Beispiele bei Bitomsky (Anm. 10).

15) Propaganda für technischen Fortschritt bildete einen wesentlichen Teil der von den Nazis besonders geförderten Sachliteratur auch in anderen Bereichen, etwa der Industriegeschichte; vgl.: Thomas Lange: Literatur des technokratischen Bewußtseins. Zum Sachbuch im Dritten Reich. In: Helmut Kreuzer (Hg.): Sachliteratur. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi), Jg. 10/ 1980, H. 40, S. 53-81.

16) Was damit gemeint ist, geht vor allem aus Filmaufnahmen hervor; nochmals sei auf Bitomsky verwiesen.

17) Deutschland-Berichte der sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade). Nördlingen: 1980. Bd. 2 (Jg. 1935), S. 787, 1216, 1331 u.ö.

18) Sopade-Berichte Juni 1936; a.a. O. Bd. 3, S. 735.

19) Äußerungen eines ehemaligen Autobahnarbeiters in dem Film von Bitomsky.

 

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Abb. 4: Einweihung des ersten Autobahnteilstücks Frankfurt—Darmstadt: „Des Führers Wagen zerreißt das Band“. Düsseldorfer Nachrichten, 25. Mai 1935 .  Foto: Staatsarchiv Darmstadt

 

Materialien

M1 „Da hat keiner gewußt, was da '39 ’rauskommt“

Bericht über eine Veranstaltung im Jahr 1995 zur Geschichte des Autobahnbaus in der zwischen Frankfurt und Darmstadt, nahe dem ersten Teilstück der Autobahn gelegenen Gemeinde Langen. Am Beginn stand ein Vortrag des Stadtarchivars:

„In der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion wurde deutlich, daß für viele Zeitzeugen Autobahn, Propaganda und persönliche Erfahrungen eng miteinander verbunden sind. So entstand gerade bei den jugendlichen Zuhörern ein verzerrtes Bild. ,Das muß man ja auch mal positiv sehen mit den Arbeitsplätzen', so ein Zeitzeuge. Die Menschen seien es gewohnt gewesen, hart zu arbeiten. Sie hätten die Arbeit an der Autobahn allemal der Erwerbslosigkeit vorgezogen, ,im Gegensatz zu heute, wo es ja fast ein Spaß ist, arbeitslos zu sein'. Bauch hatte im Gegensatz dazu bereits in seinem Vortrag erwähnt, daß Menschen auch de facto zwangsweise zur Arbeit auf der Auto- bahnbaustelle verpflichtet worden seien. Die Alternative wäre der Verlust der Arbeitslosenunterstützung gewesen. Außerdem seien die Arbeitsbedingungen schlecht gewesen; die Arbeiter hätten in Baracken gehaust und an diversen Krankheiten gelitten.

All diese Erfahrungen hatten die an der Diskussion beteiligten Zeitzeugen scheinbar nicht gemacht. Ihre Einschätzungen des Autobahnbaus waren durchweg positiv. ,Ich war dabei', erinnert sich einer von ihnen und schildert den Auftritt Hitlers an der Spitze der Wagenkolonne in den leuchtendsten Farben. Die Verbindung zwischen den prachtvollen Autobahnen und den vom selben Regime geführten Konzentrationslagern zu ziehen, fällt vielen offenbar immer noch schwer. ,Da hat keiner gewußt, was da '39 bei rauskommt.' Daß Angehörige der Widerstandsgruppe Internationaler Sozialistischer Kampfbund ,Hitler bedeutet Krieg' auf die neu einzuweihende Autobahn Frankfurt-Darmstadt geschrieben hatten, schien keiner bemerkt zu haben. Die Zuhörer, die den Nachkriegsgenerationen angehörten, standen vor der schweren Entscheidung, entweder dem Historiker oder den Zeitzeugen Glauben schenken zu müssen.“

Michael Schmidt / Kerstin Beyer: Schwieriges Erbe. In: Überflieger. Schüler-und Jugendzeitung aus dem Westkreis Offenbach, Nr. 15, Frühjahr 1995, S. 42-46; hier: S. 45/46.

 

M2 HAFRABA - Argumente für die Autobahn 1 (1928)

„Am Donnerstag vormittag wurde im Gewerbemuseum eine Ausstellung des Vereins Hafraba eröffnet, die über die Vorarbeiten zum Autostraßenprojekt Hansestädte - Frankfurt -Basel unterrichtet. Bürgermeister Buxbaum gab bei seinen Begrüßungsworten einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung des Automobilwesens, das seit der Erfindung des ersten Automobils und Explosionsmotors im Jahre 1883 in kurzer Zeit einen gewaltigen Aufschwung genommen hat. Um 1900 sei eine Autoreise von Frankfurt nach Heidelberg noch nicht betriebssicher gewesen. Heute sei es möglich, im Auto von Hamburg nach Unteritalien und zurück ohne Motorunfall zu fahren. Buxbaum wies nun, bevor er die Ausstellung eröffnete, auf die Ursachen hin, die zum Projekt der Autostraßen geführt haben. Dadurch wird die Durchführung eines reibungslosen Verkehrs mit gesteigerter Geschwindigkeit ermöglicht, ungehindert durch Orte, die ein Abstoppen der Geschwindigkeit erfordern, und unbeeinträchtigt durch scharfe Wendungen des Weges und alle die Hemmnisse eines gemischten Verkehrs. [...]

Ein ausführlicheres Referat erstattete nun Regierungsrat Dr. Krebs: [...] Gerade zwischen Main und Neckar sei ein gemischter Verkehr mit konstanter starker Verkehrsdichte aus wiederholten Volkszählungen belegt. Hier würden Güter gehandelt, die sich für Lastwagen eignen. Selbst bei mittelwertigen Gütern sei der Kraftwagen bis 50 Kilometer und darüber hinaus mit der Bahn konkurrenzfähig. Als Vorteile der Autostraße nannte nun Dr. Krebs: Ersparnis an Betriebsstoff bis zu 40 Prozent, größere Schonung der Maschine, längere Abschreibungsfrist, geringere Reparaturkosten und geringeren Reifenverbrauch. Dazu komme gerade in Hessen die Erzielung einer höheren Geschwindigkeit, denn heute sind hier noch 42 Prozent der gesamten Fahrstrecke Ortsdurchfahrt.“

Die HAFRABA-Ausstellung eröffnet. In: Darmstädter Zeitung, 16. November 1928

 

M3 „Deutsche Arbeiter, an das Werk!“

Aus der Rede Adolf Hitlers zum Baubeginn der Teilstrecke Frankfurt-Darmstadt, 23. September 1933: „Ich bitte Euch daher, stets zu bedenken, daß es heute nicht in unserem Ermessen steht, welche Arbeit wir zu wählen haben. Ich bitte Euch zu bedenken, daß wir in einer Zeit leben, die das Wesentliche in der Arbeit an sich sieht. Daß wir einen Staat aufbauen wollen, der die Arbeit schätzt, um ihrer selbst willen, und der den Arbeiter achtet, weil er eine Pflicht an der Nation erfüllt, ein Staat, der durch seinen Arbeitsdienst jeden erziehen will, jedes Söhnchen auch hochgeborener Eltern zur Achtung der Arbeit, zu Respekt vor der körperlichen Tätigkeit im Dienste der Volks- gemeinschaft. [...] Indem wir Hunderttausende ansetzen für große, monumentale, ich möchte sagen Ewigkeitswerte tragende Arbeiten, werden wir dafür sorgen, daß das Werk sich nicht mehr trennt von denen, die es geschaffen haben. [...]

Ich kann mir in dieser Stunde nichts Schöneres denken als das, daß sie nicht nur eine Stunde der Einleitung für den Bau dieses größten Straßennetzes der Welt, sondern daß diese Stunde zugleich wieder ein Markstein für den Bau der deutschen Volksgemeinschaft sei, einer Gemeinschaft, die als Volk und als Staat das geben wird, was wir mit Recht auf dieser Welt fordern und verlangen dürfen. Der Bau muß heute beginnen! Das Werk nehme seinen Anfang! Und ehe wieder Jahre vergehen, soll ein Riesenwerk zeugen von unserem Dienst, unserem Fleiß, unserer Fähigkeit und unserer Entschlußkraft! Deutsche Arbeiter, an das Werk!“

Redeauszüge aus: Frankfurter Volksblatt, 25.9. 1933. Zit. n.: Klaus Heuer: Autobahn: 1. Spatenstich und Eröffnung. In: ders. (Red.): Wetterleuchten. Niederrad von 1930-1950. Hg. von Klaus Heuer für die Evangelisch-lutherische Zachäusgemeinde und die Geschichtswerkstatt Niederrad. Frankfurt 1988, S. 19. Und aus: Die Autobahn, Nr. 10, 1933, S. 3.

 

M4 „Das deutsche Volk ist ein modernes Volk geworden“

Rede von Propagandaminister Goebbels zur Einweihung des ersten Teilstücks Frankfurt-Darmstadt 1935:

„Als erster Arbeiter der Nation, mein Führer, haben Sie dies Werk begonnen und es ist einem heute fast so, als wäre es erst gestern gewesen. Mit stolzer Freude stehen in dieser Stunde Arbeiter und Ingenieure, um Zeugen zu sein des historischen Augenblicks, in dem Sie, mein Führer, das Band durchschneiden und die erste Strecke des ganzen großzügig geplanten Reichsautobahnnetzes dem Verkehr übergeben. Stellt man sich heute vor, daß seit 1918 in Deutschland seitens der Regierungen so großzügig die Probleme unseres Landes in Angriff genommen worden wären, wie das hier der Fall ist, ich glaube, man sagt nicht zu viel, wenn man behauptet, es wäre deutschem Fleiß, deutscher Unternehmungslust und deutscher Tatkraft gelungen, trotz der Niederlage Deutschland in ein Paradies des Friedens und der Wohlfahrt zu verwandeln. Sie haben Almosen statt Arbeit und Brot gegeben, und der Führer mußte kommen, um dem Staat der Almosen und Bettelei ein Ende zu machen und die großzügige Initiative zu geben zu Werken, die großzügig gedacht auch für die Jahrhunderte geplant waren. Denn nur in monumentalen Werken kann ein Volk sich verewigen und deshalb muß ein Volk lernen, auf lange Zeit zu denken. Die Straßen werden noch in Jahrhunderten Zeuge sein von der Schöpferkraft des Nationalsozialismus, in Tausenden von Kilometern werden sie sich mit majestätischer Breite durch die deutsche Landschaft ziehen. Die Erfindung des Volkswagens, die auf dem besten Wege ist, wird diese Straßen auch für die breiten Massen unseres Volkes erschließen, sie werden damit nicht nur Straßen des Führers, sondern nach seinem Willen auch Straßen des Volkes sein. Sie werden dem, der sie befährt, einen Begriff von der Schönheit deutschen Landes geben, und die Arbeiter, die an ihnen arbeiteten, sind in der Tat die Pioniere des modernsten Straßenbaues der Welt gewesen. [...] Das deutsche Volk will keinen Krieg, es hat im Innern genug Probleme zu lösen; es hat auch eine Armee nicht aufgebaut, um Krieg zu führen, sondern um den Frieden zu garantieren. Und mit stolzer Freude (Beifall) stellt der deutsche Arbeiter wieder fest, daß seine Arbeit nicht mehr der Willkür der Welt preisgegeben ist, sondern daß neben dem Arbeiter, der den Spaten schultert, der Soldat steht, der das Gewehr schultert, um die Arbeit des Arbeiters zu beschützen. (Beifall) Über allem aber hält der Führer die Wacht und auch in dieser Stunde vereinigen wir uns im Dankgelöbnis an ihn. Alle diese vielen Arbeiter, mein Führer, die in dieser Stunde um Sie versammelt stehen, danken Ihnen nicht nur ihre Arbeit, sondern sie danken ihnen auch ihren neuen Glauben an die Nation und ihre neue Hoffnung auf die Zukunft und ihre Zuversicht auf das Leben des deutschen Volkes [...] (Heilrufe und langanhaltender Beifall)“

Hessische Landeszeitung, 20. Mai 1935

 

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Abb. 5:  Straßen Adolf Hitlers / Straßen des Volkes. Autokolonnen von Arbeitern fahren an Hitler vorbei. Hessische Landeszeitung, 20. Mai 1935. [Zusatzmaterial - In der Originalpublikation nicht enthalten]

M5 Die Autobahn als Motor I der Modernisierung (1935)

„,Deutsche Arbeiter an das Werk!' - Das waren die Schlußworte, die der Führer an jenem 23. September, jenem Spätsommertag des Jahres 1933 in Frankfurt a.M. sprach und dann selbst Hand anlegte und den ersten Spatenstich tat. Den ersten Spatenstich tat an dem Werk, das dem neuen Deutschland sein Gepräge verleiht. Zu dem Werke, das das größte und modernste seiner Art auf dem ganzen Erdball ist. Und mit diesem Augenblick hat der Führer den Minderwertigkeitskomplex, den man dem deutschen Volk bewußt in all den vergangenen Jahrhunderten angeredet hat, endgültig zerschlagen und ausgerottet. An Stelle dessen hat er dem deutschen Volk das Bewußtsein gegeben, daß auch es im Straßenbau der Meister und das Vorbild der gesamten Welt sein soll. [...] Es ist klar, daß der Bau der Reichsautobahnen wieder Hunderttausenden von Menschen Brot und Arbeit gegeben hat. Es muß aber weiter beachtet werden, daß dieser Bau nur eine Teilmaßnahme des großen Programmes der Motorisierung des Verkehrswesens ist. Denn die Fertigstellung wird zwangsläufig zu einer gesteigerten Entwicklung des Kraftverkehrs führen. [...] Überlegt man, daß in Deutschland auf den hundertsten Einwohner ein Kraftwagen kommt, während in Frankreich auf den 30., in Amerika auf den 8., so ist es ganz klar, daß durch die anhaltende Steigerung der Kaufkraft der Massen und durch die Arbeitsbeschaffung eine weitere Ausbreitungsmöglichkeit des Kraftwagens auf der Hand liegt. Als weiteres Arbeitsbeschaffungsgebiet kommt die Treibstoffindustrie hinzu. Da in Zukunft diese Industrie sich mehr und mehr auf inländische Erzeugung und Veredelung umstellen muß und wird, so ist auch in dieser Industrie mit einer gewaltigen Mehrbeschäftigung zu rechnen. Eine weitere große Aufgabe, die aus dem Bau der Reichsautobahnen in Angriff genommen worden ist, ist die Erschließung des flachen Landes und der eisenbahnfernen Gebiete.“

Darmstädter Tagblatt, 15. Mai 1935

 

M6 Die Entwicklung der Motorisierung:

Anzahl der PKW im deutschen Reich

1925:        172.445

1929:        421.612

1937:     1.108.433

Statistische Jahrbücher des Deutschen Reiches

 

M7 Lebensmöglichkeiten für Millionen

Adolf Hitler 1934 bei der Eröffnung der Automobilausstellung: „Solange das Automobil nur ein Verkehrsmittel besonders begüterter Kreise bleibt, ist es ein bitteres Gefühl, von vornherein Millionen braver, fleißiger und tüchtiger Mitmenschen von der Benutzung eines Kraftverkehrsinstrumentes ausgeschlossen zu wissen, das gerade für diese in ihren sonstigen Lebensmöglichkeiten beschränkten Schichten nicht nur nützlich sein könnte, sondern ihnen vor allem an Sonn- und Feiertagen zur Quelle eines unbekannten, freudigen Glücks würde.“

Dein KDF-Wagen. Hg. vom Volkswagen-Werk, ca. 1938, S. 1.

 

M8 Autobahn und Freizeit

„Die enge Verbindung von Autobahn, Ferien und Freizeit verdeutlichten auch die entlang der Strecke angelegten Freibäder und Zeltplätze, die im offiziellen Autobahn-Streckenführer verzeichnet waren. Auch an diejenigen Autofahrer wurde dabei gedacht, die sich bei ihrer Fahrt durch deutsche Lande eine Übernachtung im Autobahnrasthof nicht leisten konnten; für den KdF-Wanderer, der am Wochenende mit Volkswagen und Zelt auf der Autobahn unterwegs war, wurden auf den Rastplätzen Brunnen angelegt, um nach einer Übernachtung im Zelt gleich neben der Strecke am Morgen fließendes Wasser zum Waschen, Rasieren und Autowaschen zu haben. Wie stark die Autobahn und ihre Einrichtungen als Ziel für Ausflüge und Naherholung angenommen wurden, zeigen Berichte vom Feiertagsverkehr 1939 (Ostern und Pfingsten), als Rasthäuser und Parkplätze mit Ausflüglern überfüllt waren und auf den Streckenabschnitten Düsseldorf-Köln und München-Salzburg Rekordzahlen verzeichnet wurden.“

Angela Schumacher: „Vor uns die endlosen Straßen, vor uns die lockende, erregende Ferne...“ „Vom Tanken und Rasten auf Entdeckerfahrt durch deutsche Lande“. In: Rainer Stommer (Hg.): Reichsautobahn. Pyramiden des Dritten Reiches. Marburg 1982, S. 77-90; hier: S. 85 f.

 

Zusatzmaterial - In der Originalpublikation nicht enthalten:

 

M 9 Die Autobahn als Motor der Modernisierung

"Deutsche Arbeiter an das Werk!" - Das waren die Schlußworte, die der Führer an jenem 23. September, jenem Spätsommertag des Jahres 1933 in Frankfurt a.M. sprach und dann selbst Hand anlegte und den ersten Spatenstich tat. Den ersten Spatenstich tat an dem Werk, das dem neuen Deutschland sein Gepräge verleiht. Zu dem Werke, das das größte und modernste seiner Art auf dem ganzen Erdball ist. Und mit diesem Augenblick hat der Führer den Minderwertigkeitskomplex, den man dem deutschen Volk bewußt in all den vergangenen Jahrhunderten angeredet hat, endgültig zerschlagen und ausgerottet. An Stelle dessen hat er dem deutschen Volk das Bewußtsein gegeben, daß auch es im Straßenbau der Meister und das Vorbild der gesamten Welt sein soll. [...]

Es ist klar, daß der Bau der Reichsautobahnen wieder Hunderttausenden von Menschen Brot und Arbeit gegeben hat. Es muß aber weiter beachtet werden, daß dieser Bau nur eine Teilmaßnahme des großen Programmes  der Motorisierung des Verkehrswesens ist. Die Motorisierung wird zum größten Teil mit durch den Bau der Reichsautobahnen bedingt. Der Bau stellt die Kraftwagenindustrie vor neue Probleme. Denn die Fertigstellung wird zwangsläufig zu einer gesteigerten Entwicklung des Kraftverkehrs führen. Dieses um so mehr, als gerade die Kraftwagen- Industrie in Deutschland noch großen Spielraum besitzt. Hand in Hand mit den großen Maßnahmen gesetzgeberischer Art der Regierung wird mit der Fertigstellung der Bahnen eine starke Mehrbeschäftigung eintreten. Leben doch in Deutschland von der Kraftwagenindustrie erst 2,8 Prozent der Gesamtbevölkerung, während in Frankreich 4,4 und Amerika sogar 10 Prozent davon leben. [...] Überlegt man, daß in Deutschland auf den hundertsten Einwohner ein Kraftwagen kommt, während in Frankreich auf den 30., in Amerika auf den 8., so ist es ganz klar, daß durch die anhaltende Steigerung der Kaufkraft der Massen und durch die Arbeitsbeschaffung eine weitere Ausbreitungsmöglichkeit des Kraftwagens auf der Hand liegt. Als weiteres Arbeitsbeschaffungsgebiet kommt die Treibstoffindustrie hinzu. Da in Zukunft diese Industrie sich mehr und mehr auf inländische Erzeugung und Veredelung umstellen muß und wird, so ist auch in dieser Industrie mit einer gewaltigen Mehrbeschäftigung zu rechnen. Eine weitere große Aufgabe, die aus dem Bau der Reichsautobahnen in Angriff genommen worden ist, ist die Erschließung des flachen Landes und der eisenbahnfernen Gebiete. [...]

Die Straßen werden seines Baumeisters Namen tragen und werden der Ausdruck der Gemeinschaft sein, die geschweißt wurde in der gewaltigen Erhebung des deutschen Volkes. Hitler ist Deutschland, Deutschland ist Hitler. Die Straßen sind Hitler-Straßen, sind  Deutschlands Straßen und nie wird man den Namen der Straßen nennen können, ohne des Mannes zu gedenken, der Deutschland zum Licht führte.

Darmstädter Tagblatt, 15. Mai 1935

 

M 10 Arbeit als Propaganda

An der geplanten Autobahntrasse lag die Gemeinde Mörfelden, in der  noch 1930 bei den Reichstagswahlen die KPD über 50% erhielt. Daher wurden solche Gemeinden zunächst von der Verteilung der Arbeit an der Autobahn ausgeschlossen.

Der Präsident des Landesarbeitsamtes Hessen, Frankfurt, den 3. Oktober 1933

An das Hessische Kreisamt Groß-Gerau

Die Verteilung der offenen Arbeitsstellen für die Reichsautobahn erfolgt in nachstehende Weise.

Die Unternehmen habe ihre offenen Stellen der vom Landesarbeitsamt Hessen eingerichteten Ausgleichsstelle beim Arbeitsamt Offenbach a.M. rechtzeitig zu melden.

Die Verteilung auf die Arbeitsämter, welche die Zuweisung ausführen sollen, erfolgt nach genauen Einzel-Weisungen des Landes- arbeitsamtes. Die Arbeitsämter werden beteiligt zunächst nach der Nähe zur Baustelle und nach der Größe der Arbeitslosigkeit ihres Bezirkes. Ferner ist – in Durchführung der Sonder-Aktion für die arbeitslosen Angehörigen von Wehrverbänden - im Einvernehmen mit Gauleitung und oberster Bauleitung die Weisung ergangen, dass für diese Arbeit ausschließlich die bevorrechtigten Wehrverbands- angehörigen zugewiesen werden dürfen.

In einer gestrigen Unterhaltung mit dem Bürgermeister von Mörfelden trat wieder die mir schon bekannte Tatsache zutage, dass bevorrechtigte – das heißt schön längere Zeit zugehörige – Wehrverbandsangehörige in Mörfelden und Walldorf nicht vorhanden sind. Ich habe jedoch dem Herrn Bürgermeister empfohlen, sich mit der in seiner Hand befindlichen Liste von jüngeren Mitgliedern der SA und SS (erst nach dem 30.1.33 eingetretene) zur Gauleitung zu begeben und sich von dort bescheinigen zu lassen, dass diese Leute, als national unbedingt zuverlässig, ausnahmsweise den bevorrechtigten Wehrverbandsmitgliedern gleichgestellt werden dürfen. Das Arbeitsamt wird dann auch diese Leute mit für die Zuweisung zur Reichsautobahn berücksichtigen.

Im Auftrag – gez. Dr. Hermes.

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 485, Nr. 824, S. 1; zit. n. (Laura Diekmann u.a.: Arbeitsbeschaffung als politisches Propagandamittel. Wie der Reichsautobahnbau das Leben der Menschen in Mörfelden veränderte. Beitrag zum Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten 2004/5. Körber-Archiv Nr. 20050749, A 4,5

 

Hinweise zum Unterricht

Intentionen

Die Schülerinnen und Schüler sollen
den Autobahnbau als bis heute fortwirkendes Element nationalsozialistischer Propaganda kennenlernen,
die inhaltlichen und rhetorischen Versatzstücke dieser Propaganda untersuchen,
mit dem Autobahnbau verknüpfte Modernisierungshoffnungen und ihre gesellschaftliche Bedeutung erfassen und
den Autobahnbau und den ideologischen Umgang damit aus heutiger Perspektive beurteilen und diskutieren.

Vorschläge für Arbeitsaufträge

Ml

Stellt die Einschätzung der Zeitzeugen und des Historikers in Stichworten einander gegenüber.
Beschreibt auch die jeweilige Erfahrung und Situation, aus der heraus beide Seiten urteilen.
Versucht Gründe für das positive Urteil der Zeitzeugen zu finden.
Ihr könnt auch ältere Verwandte und Bekannte danach fragen, was sie mit dem Stichwort „Autobahnbau“ verbinden.

M2/3

Vergleicht die Begründungen, die in beiden Texten für den Autobahnbau angeführt werden.
Vergleicht auch die Sprache der Texte. Ihr könnt dafür im zweiten Text besonders betonte und häufig wiederkehrende Begriffe markieren und auflisten.

M4

 „Autobahnbau als politisches Symbol“ - erläutert unter diesem Stichwort, unter welchen Gesichtspunkten Goebbels den Autobahnbau als Beispiel für (angebliche) Erfolge der NS-Politik anführt.

M5-8

 Charakterisiert, welche Zukunftshoffnungen und Fortschrittsperspektiven sich hier mit dem Autobahnbau verbinden. Welche davon wurden in der NS-Zeit tatsächlich eingelöst?

Zusammenfassung

Erörtert anhand der Texte, wie das bis heute positive Urteil der Zeitzeugen in M 1 entstanden sein kann.
„Auto und Autobahnbau gleich Modernität“ - faßt die Vorstellungen, die sich dazu in den Texten finden, zusammen und diskutiert sie aus der Perspektive der heutigen Entwicklung.