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Israel / PalÀstina - Nahostkonflikt (6)

Hintergrundinformationen, Dokumente und Links zur Geschichte PalĂ€stinas und Israels                    Update 1.12.2023

 

Auf dieser Seite:
6. Der Nahostkonflikt von der Ermordung Rabins bis zum israelischen RĂŒckzug aus Gaza 2005

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Spektroradiometrisches
Satellitenbild des Nahen Osten
mit den eingezeichneten Grenzen
von 1949.

Wikimedia Commons

2. Daten zur Geschichte Jerusalems, des Alten Israel und der Provinz PalÀstina vom Altertum zum Osmanischen Reich (bis 1914) >hier

3. PalÀstina vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg >hier
a) Chronologie,
b) Inhaltliche ErgÀnzungen:Sykes-Picot-Abkommen, Balfour-Deklaration / Britisches Mandat / 2. Weltkrieg

4. Nach dem Zweiten Weltkrieg: UN-Teilungsplan, GrĂŒndung Israels und die Folgen bis nach dem Sechstagekrieg >hier
a) Chronologie
b) Inhaltliche ErgÀnzungen: UnabhÀngigkeitskrieg / 1948/1967: Kampf um Jerusalem / Sechstagekrieg: PrÀventivkrieg oder Expansionskrieg?

5. Der Nahe Osten seit dem Sechstagekrieg bis zur Ermordung Rabins 1995 >hier
a) Chronologie
b) Inhaltliche ErgÀnzung: Situation nach dem Sechstagekrieg und Entwicklung der Siedlungsbewegung

Auf der folgenden Seite:

7. Der Nahostkonflikt nach dem israelischen RĂŒckzug aus Gaza 2005 bis heute >hier

 

 

6. Der Nahostkonflikt von der Ermordung Rabins bis zum israelischen RĂŒckzug aus Gaza 2005

4.11.1995-
18.6.1996

Beginn der Selbstmord-
attentate

 

Regierungs-
wechsel
zu
Netanyahu

 

 

 

 

 

Politischer Terrorismus: Nach dem Attentat auf Rabin (siehe >Nahost 5) ĂŒbernimmt Außenminister Shimon Peres das Amt des MinisterprĂ€sidenten bis zum Ende des Legislaturperiode.
Der Wahlkampf erfolgt auch in einer Phase von Selbstmordattentaten der Hamas seit dem 4.10.1993 vor allem in Bussen oder an Bushaltestellen zur Torpedierung des Friedensprozesses, was bis Ende 1996 128 Tote und ein Vielfaches an Verletzten fordert. Mit der Hamas gewinnt der terroristische Kampf gegen Israel eine bedeutende religiöse Dimension im internationalen Kontext des sich radikalisierenden Islamismus.
Regierungswechsel nach rechts: Die folgende Knesset-Wahl am 29.5.96 wird von der fĂŒhrenden Arbeitspartei knapp verloren: Sie rutscht zwar von 34,7% auf  26,83% ab und verliert 10 von 44 Sitzen, der BĂŒndnispartner Meretz (linke Sozialdemokraten) erhĂ€lt 9 Sitze (-3; 7,41%). Doch der Likud unter Benyamin Netanjahu im WahlbĂŒndnis mit der Kleinpartei Tzomet verliert auch 8 Sitze und erhĂ€lt 32 Mandate (von 31,3% auf 25.14%). Durch die von der vorherigen Knesset eingefĂŒhrte WahlrechtsĂ€nderung wurde erstmalig mit der Parlamentswahl auch der MinisterprĂ€sident direkt gewĂ€hlt. Dies sollte das “israelische Modell” der großen Koalitionen mit rotierendem MinisterprĂ€sidenten bei unklaren Mehrheiten abschaffen. HIer gewinnt Netanyahu mit einem knappen Vorsprung von 50,5 gegenĂŒber 49,5% fĂŒr Peres.
WÀhrend die Kampagne gegen die Osloer VertrÀge Netanyahu und seiner Partei bei der Parlamentswahl nichts genutzt hat (Verlust von 8 Sitzen), konnten die ultrarnationalistischen und religiösen Kleinparteien davon profitieren.
Mit ihnen kann Netanyahu eine Koalition bilden.
 

Hamas >Wikipedia
Islamismus >Wikipedia
Liste von TerroranschlÀgen in Israel >Wikipedia

 

1996-99

Weitere
Abkommen
und Bruch
der
Koali
tion

 

 

 

 

Trotz seines nationalistischen Wahlkampfs unterzeichnet Netanyahu zwei Folgeabkommen der Osloer VertrĂ€ge mit Jassir Arafat unter amerikanischer Vermittlung, im Januar 1997 das Hebron-Abkommen und im Oktober 1998 das River-Wye-Abkommen, bekommt dafĂŒr eine parlamentarische Mehrheit, verliert jedoch seine Regierungsmehrheit durch den Protest der ultranationalistischen Partner. In Hebron behĂ€lt Israel 20% des Territoriums, zieht sich aber von 80% zurĂŒck, das Abkommen von River Wye beinhaltet die Umsetzung eines Teils des in Oslo II verabredeten Transfers von Gebieten der Zone C in Zone B (gemeinsame Verwaltung) im Westjordanland. Im Gegenzug verspricht die palĂ€stinensische Seite die BelĂ€mpfung des Terrorismus. Die ErfĂŒllung des Abkommens wird jedoch aufgrund der Krise in der Regierungskoalition gestoppt nach dem RĂŒckzug aus nur 2% der C-Zone. Den Bruch der Koalition kann Netanyahu jedoch nicht aufhalten und muss sich in seiner eigenen Partei heftigem Widerstand stellen, angefĂŒhrt von Ariel Sharon, Minister fĂŒr wirtschaftliche Infrastruktur und in dieser Funktion Förderer des Siedlungsbaus im Westjordanland. Netanyahu muss fĂŒr den 17.5.1999 vorgezogene Neuwahlen ansetzen. Netanjahu verliert die Wahl und gibt den Parteivorsitz an Sharon ab.
 


Hebron-Abkommen wird weltweit begrĂŒĂŸt, 16.1.1997 >Welt
Wye-Abkommen >Wikipedia

 

Sharon >Wikipedia


 

 

1999-
2000

 

 

 

Schwache
Regierung
unter Barak
(Soz.dem.)

 

 

 

 

 

Weitere
Abkommen

 

 

 

 

 

FĂŒr die Parlamentswahl am 17.5.1999 leitet der Vorsitzende der Arbeitspartei, Ehud Barak, eine Öffnung der Partei in die Mitte ein, verbunden mit einer Listenverbindung “Ein Israel”. Es ist der Anfang der Ablösung der Arbeitspartei von ihren UrsprĂŒngen und auf lange Sicht bis heute der Auflösung eines linksdemokratischen Faktors in der israelischen Politik. Wobei Links und Rechts in der israelischen Politik sich ausschließlich auf die nationale Frage bzw. die palĂ€stinensische Frage bezieht. Die Umorientierung soll die Partei weg von ihren streng sĂ€kularen und sozialistischen Prinzipien, mithin dem europĂ€ischen Erbe,  fĂŒhren und und hin u.a. auf eine WĂ€hlbarkeit fĂŒr die Mizrachim, die orientalischen Juden, die bislang fast auschließlich rechtskonservativ gewĂ€hlt haben.

Bei der Wahl verliert Ein Israel gegenĂŒber den vorherigen Mandaten der Awoda und ihren ListenverbĂŒndeten 11 Sitze und rutscht auf 26 (20,3% der Stimmen). Likud verliert aber auch 8 Sitze und rutscht auf 19 (14,1%). Die linke Meretz kann von der Strategie Baraks profitierten und ein Mandat zugewinnen (insges. 10;  10, 7.6%), erhebliche Zugewinne erzielt die sephardische Shas (auf deren WĂ€hler Baraks Strategie zielte), die mit 17 Sitzen (+7; 13,01 %) drittstĂ€rkste Kraft wird. Insgesamt zeichnet sich jedoch eine weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft ab mit nun 15 in der Knesset vertretenen Parteien. Durch die Direktwahl wird Ehud Barak lange vor Netanjahu zum MinisterprĂ€sidenten gewĂ€hlt (56,1%). Seine Strategie der Öffnung zur Mitte und sogar zu den Religiösen geht insofern auf, als er dies Shas sowie einige religiöse Kleinparteien in eine Koalition holen kann, die jedoch keine seriöse Grundlage hat und nach dem Austritt einer religiösen Partei im September 1999 bereits ihre Grundlage verliert. Mit einer Minderheitenkoalition arbeitet Barak weiter bis zum 10.12.2000, als er aufgrund des Ausbruchs der Zweiten Intifada zurĂŒcktritt.

Sein Versuch, den Friedensprozess mit der PLO unter Vermittlung von US-PrĂ€sident Clinton im Sommer 1999 in Camp David weiterzufĂŒhren, scheitert im ersten Anlauf, da es keine VerstĂ€ndigung mit Arafat gibt, der unter dem Druck der Radikalisierung in seinem eigenen Lager steht. In einem neuen Anlauf gelingt unter Vermittlung von Ägypten. Jordanien und den USA am 5.9.1999 in Sharm el-Shekih das sog. Wye-II-Abkommen, indem, in ErfĂŒllung des Wye-I-Abkommens, ein weiterer RĂŒckzug von 11% der C-Zone, eine sichere Transitroute zwischen Westbank und Gaza sowie ein Siedlungsstopp im Westjordanland und die Freilassung von palĂ€stinensischen HĂ€ftlingen vereinbart wird. Die Ausrufung eines PalĂ€stinenserstaates wird hinausgeschoben, umstritten sind nach wie vor der Status Jerusalems, die FlĂŒchtlingsfrage sowie die Bestimmungen eines Abschlussabkommens mit der Frage der Grenzziehung.
Weitere Verhandlungen diesbezĂŒglich fĂŒr ein Camp-David-II-Abkommen im Juli scheitern jedoch. Die entscheidenden Fragen Ost-Jerusalem, Grenzziehung und FlĂŒchtlinge können nicht gelöst werden.

Ehud Barak >Wikipedia

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Intifada  >Wikipedia

 

Oslo-Friedensprozess >Wikipedia

#

 

 

 

2000-2002

Sharon auf dem
Tempel-
berg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Intifada

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Große
Koalition
unter
Sharon

 

 

 

 

Der ”Besuch” des Tempelbergs, immer noch muslimischer Religionsbezirk mit Felsendom und Al-Aqsa-Moschee, aber von ultrareligiösen Juden ebenfalls beansprucht, am 28.9.2000 durch den Likud-Vorsitzenden Ariel Sharon “und 1000 Journalisten, Polizisten und MilitĂ€rs”  (Wikipedia) sowie weiteren fĂŒnf Likud-Politikern wird von arabischer Seite als die gezielte Provokation empfunden, die sie wohl auch war, um den weiteren Friedensprozess zu torpedieren. Barak hatte in den Verhandlungen mit Arafat den PalĂ€stinenser einen Teil Ost-Jerusalems zugestanden - immerhin ist dort schon das nie bezogene ParlamentsgebĂ€ude der PalĂ€stinensischen Autonomie gebaut worden - und wollte im Gegenzug einen Platz auf dem Tempelberg fĂŒr die Juden zum Beten, gewissermaßen am virtuellen Platz des alten Tempels. Darauf konnte Arafat jedoch nicht eingehen (cf. Coitoru, S. 267f.). Das ganze Thema mobilisiert die Extremisten auf beiden Seiten, die sich in einer gegenseitigen, vorlĂ€ufig noch propagandistischen, Eskalation, bestĂ€rken. Da Sharon seinen Tempelbesuch vorher schon angekĂŒndigt hat, hat die Gegenseite Zeit zu mobilisieren, zunĂ€chst nur fĂŒr eine friedliche Gegendemonstration auf dem Tempelberg. “Scharons Kalkul, die israelisch-palastinensischen Beziehungen in eine neue Krise zu sturzen, ging voll auf. Am nachsten Tag kam es auf dem Berg erneut zu gewalttatigen Ausschreitungen, bei denen fĂŒnf Palastinenser durch SchĂŒsse israelischer Polizisten getötet wurden.” (Croitoru, S. 269).

Ob Sharons Provokation ursĂ€chlich Auslöser fĂŒr die spĂ€ter so genannte Zweite Intifada, auch Al-Aqsa-Intifada, war, deren Beginn deswegen am selben Tag angegeben wird, die jedoch frĂŒhestens am Tag darauf begann, oder ob diese schon seit lĂ€ngerem geplant war und ob von Arafat, ist kontrovers. In jedem Fall hat Sharons Aktion ein hervorragendes Argument fĂŒr die Intifada geliefert, wie schon in den 1920er Jahren ZusammenstĂ¶ĂŸe zwischen Juden und Arabern am und wegen dem Haram ash-Sharif  (“das edle Heiligtum”) ausgelöst wurden (siehe >Nahost 3).

Joseph Croitoru: Al-Aqsa oder Tempelberg. Der ewige Kampf um Jerusalems Heilige StĂ€tten. MĂŒnchen: C.H. Beck, 2021.

Vgl. auch:
Der Feld und die Brandung [Sharons Tempelbergbesuch],
von Christoph Gunkel, 28.9.2020 >Spiegel

20 Jahre zweite “Intifada”: Nicht von Israel provoziert, sondern von Arafat geplant, von Alex Feuerherdt, 4.10.2020 >mena-watch
“Der Tempelberg ist in unserer Hand!” Tempelberg und Klagemauer zwischen nationalen und religiösen Interessen, von Oliver Glatz, 7.12.2017, aus dem Ausstellungskatalog des JĂŒdischen Museums Berlin Welcome to Jerusalem 2017   >JMB, siehe auch hier >JMB

Mit der Eskalation des Konflikts gerĂ€t die Koaltions-Regierung der Awoda in die Enge und Ehud Barak versucht, sich durch eine vorgezogene Neuwahl des Premierministers am 6.2.2001 eine RĂŒckendeckung in der Bevölkerung zu holen, was jedoch misslingt, denn Sharon gewinnt die Wahl. Da die MehrheitsverhĂ€ltnisse in der Knesset die gleichen bleiben, kann er nur eine breite Koalition der nationalen Einheit bilden, der sich auch notgedrungen die Arbeitspartei anschließt. Sharons Hauptziel ist die BekĂ€mpfung der 2. Intifada. GesprĂ€che mit Arafat lehnt er strikt ab.

Jerusalem-2013(2)-Aerial-Temple_Mount-(south_exposure)-small
Tempelberg_Karte-dt-klein

Tempelberg  >Wikipedia
Zweite Intifada >Wikipedia
Al-Aqsa-Brigaden >Wikipedia
Ahmad Qurai > Wikipedia

 

 

 

 

 

 

 

Islamisti-
sche Ideo-
logie und
Intensivie-
rung des
Terrorismus

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Baubeginn
der Sperr-
lagen

 

Anders als die “Intifada der Steine” kommt die Al-Aqsa-Intifada nicht aus der Mitte der Bevölkerung, sondern wird von militanten und extremistischen KrĂ€ften getragen, unter denen der Islamische Djihad und die Hamas eine zentrale Rolle spielen. Beide folgen auch einer islamistischen Ideologie. Hinzu kommt eine neue bewaffnete Gruppe aus den Reihen von Arafats Fatah, die sich mit Bezug auf die Moschee auf dem Tempelberg Al-Aqsa-Brigaden nennen und fĂŒr die Israelis ein Beweis dafĂŒr sind, dass Arafat ein doppeltes Spiel spielt. 2003/04 werden die Brigaden von der FĂŒhrung der Fatah, darunter dem damaligen MinisterprĂ€sidenten der PalĂ€stinensischen AutoritĂ€t, Ahmad Qurai, offiziell als militĂ€rischer FlĂŒgel der Fatah mit Recht auf einen Sitz im Rat der Fatah klassifiziert. Wie die beiden anderen Gruppierungen werden aus ihren Reihen heraus MĂ€rtyreraktionen, Selbstmordattentate verĂŒbt.
Ab dem 22.11.2000 nehmen die Attentate auf Zivilisten wieder zu, die meisten durch SelbstmordattentĂ€ter, mit 80 Toten 2000/2001 und mehreren Hundert Verletzten sowie 203 Toten 2002. Die israelische Regierung reagiert mit einer breit angelegten MilitĂ€raktion “Operation Schutzschild” im Westjordanland, einschließlich der vorĂŒbergehenden Wiederbesetzung der freien Zone A. Sharon betrachtet das als einen Krieg und die israelische Armee geht mit großer HĂ€rte vor.
Die KĂ€mpfe erreichen auch Ramallah und Arafat wird in seinem Amtssitz eingeschlossen. Unter den festgenommenen PalĂ€stinensern ist auch Marwan Barguthi, Chef der Fatah im Westjordanland und gleichzeitig von deren Tamzin-Miliz. Diese wurde 1995 von Arafat ursprĂŒnglich zur BekĂ€mpfung des Islamismus gegrĂŒndet, Teil der Osloer VertrĂ€ge. Sie konkurriet aber eher mit der Hamas um die Vorherrschaft im Westjordanland, als dass sie sie bekĂ€mpft. Unter Barghuti, der als einer der Initiatoren der Zweiten Intifada gilt, kehrt sie ihre Stoßrichtung in den Kampf gegen Israel um. FĂŒr die israelische Regierung ist dies auch ein Beweis dafĂŒr, dass Arafat dem zustimmte. Barghuti wird wegen mehrfachen Mordes vor einem israelischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt. 

Am 16.6.2002 wird mit dem Bau der Sperranlagen, gemeinhin Zaun oder Mauer genannt, an der Grenze zum Westjordanland, aber auch ins Westjordanland hineinreichend, begonnen. Die Idee dazu hatte schon Jitzhak Rabin 1995, um Terrorangriffen aus dem Westjordanland, das durch das Osloer Abkommen zunehmend der israelischen Kontrolle entzogen werden sollte, eine Sperre entgegenzusetzen.

 

West_Bank_OCHA_2020-smallest Bank Access Restrictions OCHA June 2002 >Wikipedia

Die dunklen FlÀchen markieren die Zone C.
Ausschnitte aus der Karte zum Verlauf der Sperranlagen unten.

Zweite Intifada >Wikipedia
Al-Aqsa-Brigaden >Wikipedia
Operation Schutzschild >Wikipedia
Fataz Tanzim >Wikipedia
Marwan Barghuti >Wikipedia

 

 

Israelische Sperranlagen >Wikipedia

 

 

 

 

West_Bank_OCHA_2020-Detail1

 

 

West_Bank_OCHA_2020-Detail2

Ausschnitte aus der OCHA-Karte zum Verlauf der Sperranlagen, markiert durch die rote Linie, vom Juni 2020. Links nördlicher Teil, rechts sĂŒdlicher Teil, unten rechts Detailkarte Ost-Jerusalem. Die grauen FlĂ€chen sind Zone C, die dunkelroten Einsprengsel israelische Siedlungen.

Zum Laden der entsprechenden jpg-Datei auf das jeweilige Bild klicken.

West_Bank_OCHA_2020-Detail3

 

 

2003-
2006

 

Sperrzaun
und Siedler

 

 

 

 

 

 

 

 

Wahlsieg
Sharons

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Sperrzaun greift in das Territorium der West Bank ein und wird deswegen von der UNO als völkerrechtswidrig erklĂ€rt, denn dadurch wird de facto eine neue Grenze geschaffen. Sie schließt einen Großteil der jĂŒdischen Siedlungen an der Westgrenze ein, die sich in Zone C der Osloer VertrĂ€ge befinden, also unter israelischer Kontrolle. Die Abkommen von damals sahen perspektivisch einen etappenweisen Transfer der AutoritĂ€t von Zone C nach B und von B nach A vor, allerdings gerĂ€t dies unter der ersten Regierung Netanyahu und durch die Radikalisierung auf palĂ€stinensischer Seite ins Stocken (siehe oben 1996-99).
Mit zunehmender Vollendung der Sperranlagen gehen auch die AnschlĂ€ge zurĂŒck, eine ParallelitĂ€t, deren kausaler Zusammenhang von der Friedrich Ebert Stiftung in PalĂ€stina (Sitz Ost-Jerusalem) 2011 bestritten wurde (beim Besuch einer GEW-Gruppe  im Rahmen eine Israelreise, der ich angehörte. W.G.)..
Die Siedlerfrage wurde in keinem der Abkommen geklĂ€rt. Vom Zeitpunkt des 1. Osloer Abkommens 1993 bis 2004 hat sich die Zahl der Siedler von in der Westbank von 111.600 auf 234.487 mehr als verdoppelt. Hinzu kommen Siedler im Ostteil Jerusalems, dessen Grenze sukzessiv weiter ins Westjordanland ausgedehnt wird. Allerdings steigt dort die Zahl langsamer, weil sich schon 1993 der grĂ¶ĂŸte Teil angesiedelt hat mit 152.800, der bis 2004 auf 181.587 wĂ€chst.

Bei der regulĂ€ren Neuwahl der Knesset am 28.1.2003 erzielt der Likud unter Ariel Sharon einen großartigen Sieg mit 29.39% und 38 Sitzen (+ 19) gegenĂŒber der Arbeitspartei mit 14,46% und 19 Sitzen (-2) und der mit ihr verbĂŒndeten Meretz mit 5,21% und 6 Sitzen (-4). Sharon gelingt eine Koalition mit der liberal-sĂ€kularen Shinui, der Nationalen Union von Avigdor Liebermann und der Nationalreligösen Partei, die die Siedlerbewegung unterstĂŒtzt.
Am 30.4.2003 veröffentlicht US-PrĂ€sident George Bush sen. einen “Fahrplan” (Road Map) fĂŒr die Umsetzung seit 1993 getroffener Vereinbarungen zur Etablierung eines PalĂ€stinenserstaates. Die Road Map wird auch von dem Nahost-Quartett (EU, USA, Russland, UN) ĂŒbernommen. Danach soll eine staatliche Struktur der PalĂ€nstinensischen Autonomiebehörde aufgebaut werden, u.a. durch die Schaffung einer ordentlichen Exekutive mit dem Posten eines Premierministers, der Mahmud Abbas wird, und der Vorbereitung von Wahlen. Damit soll auch Arafat stĂ€rker an den Rand gedrĂ€ngt werden. Zum wiederholten Male wird auf der Verzicht auf Terroraktionen verlangt. Israel soll sich aus den besetzten Gebieten zurĂŒckziehen, zuerst aus jenen, die nach 2000 erneut militĂ€risch besetzt wurden. Ebenso sollen jĂŒdische “Außenposten-”Siedlungen gerĂ€umt werden, die nach dem MĂ€rz 2001 entstanden sind, was Israel auch tut, ebenso entlĂ€sst es 400 palĂ€stinensische Gefangene. Die Hamas sellt sich offen gegen den Plan und gegen den Gewaltverzicht und bricht die GesprĂ€che mit der Autonomiebehörde ab. Abbas tritt im September als Premierminister zurĂŒck und wird durch Achmed Queira ersetzt. Der weitere Prozess verlĂ€uft im Sande. Der israelische MinisterprĂ€sident Sharon erklĂ€rt, dass es keinen verlĂ€sslichen Verhandlungspartner aus palĂ€stinensischer Seite gebe.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Road Map  (dt.) >Wikipedia
Road Map (engl., ausfĂŒhrlcher) >Wikipedia
Road Map >AuswÀrtiges Amt
Mahmud Abbas > Wikipedia

 

 

 

 

 

 

 

Konflikt-
herd Gaza,
und Plan
zum
israeli-
schen
RĂŒckzug

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sharon-
Plan und
Krise
des Likud

 

 

Auch im Gaza-Streifen wurden israelische Siedlungen gegrĂŒndet. 1993 lebten dort 4.800 Personen, 2004 sind es 7.826, 2005 mehr als 8.000.. Die permanenten gewalttĂ€tigen Konfrontationen zwischen palĂ€stinensischen Gruppen, meistens von der Hamas, und israelischem MilitĂ€r zum Schutz der Siedler und zur BekĂ€mpfung der ersten RaketenabschĂŒsse aus Gaza erweisen sich als große Belastung und GefĂ€hrdung des Lebens der Soldaten. . Doch nicht nur dies sondern auch grundsĂ€tzliche Überlegungen zur Entspannung des VerhĂ€ltnisses zu den PalĂ€stinensern und fĂŒr mehr Sicherheit fĂŒr Israel bringen den bislang gefeierten Hardliner Sharon zum Umdenken in seiner Politik.
Bereits im Dezember 2003 legt er seinen Plan zum RĂŒckzug aus Gaza und einem weiteren Teil des Westjordanlandes vor, der die Auflösung dortiger jĂŒdischer Siedlungen beinhaltet. Ähnlich wie die Sperranlagen geht diese Idee auf die Linke zurĂŒck, denn Barak Ă€ußerte bereits solche eine Idee, nachdem die Verhandlungen nicht mehr voran kamen und Barak, Ă€hnich wie zuvor Rabin zur Grenzanlage, mehrfach Ă€ußerte, man mĂŒsse die Sicherheit Israels herstellen, indem “wir hier sind und die dort” (cf. Bregman, S. 295). Sharons politischer Kompagnon und spĂ€terer Nachfolger Ehud Olmert liefert noch eine interessante und fĂŒr die Rechte gleichfalls unerhörte BegrĂŒndung fĂŒr den Politikwechsel mit Hinweis auf die demographische Entwicklung, die perspektivisch zu einer arabischen Mehrheit im gesamten Territorium, Israel und besetzte Gebiete, fĂŒhren werde. Deswegen schreibt er fĂŒr das Jerusalem Institute for Policy Research bereits 2004:

    “Wir haben nicht unbegrenzt Zeit. Immer mehr PalĂ€stinenser sind an Verhandlungen ĂŒber eine Zweistaatenlösung desinteressiert, denn sie wollen das Wesen des Konflikts weg von einem algerischen Paradigma* zu einem sĂŒdafrikanischen Ă€ndern. Vom Kampf gegen ’Besatzung’, in ihrem Sprachgebrauch, in einen Kampf fĂŒr one man, one vote. Das ist natĂŒrlich ein viel sauberer und ein viel populĂ€rerer Kampf - und letzten Endes ein viel mĂ€chtigerer. FĂŒr uns wĂŒrde dies das Ende des JĂŒdischen Staates bedeuten.” (zit. nach Black, S. 441).
    * Bezug auf den algerischen Aufstand gegen die französische Kolonialherrschaft.

Der Sharon-Plan ruft heftigen Widerstand in den eigenen Reihen hervor. Sharons Partei, der Likud, entscheidet sich in einem Mitgliederreferendum mit 56% gegen den Plan. Die Öffentlichkeit ist jedoch mit großer Mehrheit dafĂŒr. Das Parlament stimmt am 26.10.2004 mehrheitlich fĂŒr den Abzug aus Gaza. Aus der Regierung treten außer Netanyahu, der als Finanzminister wieder in die Regierung zurĂŒckgekommen ist, weitere Minister der Koalitionsparteien zurĂŒck und Sharon verliert die Regierungsmehrheit im Parlament, das trotzdem fĂŒr den Sharon-Plan gestimmt hat.
 

Gaza_strip_may_2005-small

Gaza-Streifen 2005 mit dem israelischen Siedlungsverbund Gush Katif im SĂŒden und einige Siedlungen an der Nordgrenze zu Israel (blau) >Wikipedia

Abkopplungsplan (Sharon-Plan) >WikipediaJĂŒdische Siedlungen >Wikipedia

Ahron Bregman: Gesiegt und doch verloren. Israel und die besetzten Gebiete. ZĂŒrich: Orell FĂŒssli, 2014.

Ian Black: Enemmies and Neighbours. Arabs and Jews in Palestine and Israel, 1917-2017. London: Penguin Random House U.K., 2017. 

 

 

 

 

 

 

 

Tod Arafats

 

 

 

 

 

RĂ€umung
des Gaza-
Streifens
und
Spaltung
des Likud

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In diese Situation hinein fĂ€llt der ĂŒberraschende Tod Jassir Arafats am 4.11.2004 in einem französischen Krankenhaus, in das Arafat nach akuter Erkrankung der inneren Organe geflogen worden ist. Da die Todesursache nicht bekannt gegeben wird, wird von palĂ€stinensischer Seite ein Giftmord in israelischem Auftrag als ErklĂ€rung verbreitet. Und dies alles spielt sich noch in einer Situation ab, als “MĂ€rtyreranschlĂ€ge” der Hamas und entsprechende GegenschlĂ€ge des israelischen MilitĂ€rs mit zivilen Toten auf beiden Seiten stattfinden.
Mit der RĂ€umung des Gaza-Streifens wird bereits klar, dass zu befĂŒrchten ist, dass die Hamas das politische Vakuum dort ausfĂŒllen wird. So zieht die RĂ€umung eine Sicherung der Grenze und Abschottung Gazas nach sich.

Die militĂ€rische RĂ€umung des Gaza-Streifens beginnt am 15.8.2005 und die erzwungene, vom MilitĂ€r durchgefĂŒhrte Evakuierung der Siedlungen erfolgt gegen heftigen Widerstand der Siedler selbst und unter großen Protest nicht nur im rechten Lager in Israel. Kritisiert wird auf der Linken auch, dass der Abzug einseitig, ohne eine verhandelten Gegenzug der PalĂ€stinenser erfolgt ist.
Aufgrund seiner Minderheitenposition in der eigenen Partei tritt Ariel Sharon am 21.11.2005 aus der Partei aus und tritt als MinisterprĂ€sident zurĂŒck und spaltet sich mit anderen Regierungs- und Parteimitgliedern durch die GrĂŒndung einer neuen Partei Kadima (“VorwĂ€rts”) vom Likud ab. Im Januar wird Sharon jedoch fĂŒr eine Herzoperation hospitalisiert, fĂ€llt ins Koma und erwacht daraus nicht mehr. GeschĂ€ftsfĂŒhrend vertritt ihn der Industrieminister Ehud Olmert, ehemaliger Jerusalemer BĂŒrgermeister (1993-2003), der auch Kadima im Wahlkampf als Spitzenkandidat fĂŒhrt. Die neue Partei erzielt bei der Knesset-Wahl am 28.3.2006 angesichts der politischen Konstellation einen ĂŒberragenden Sieg mit 22,02% und 29 Sitzen, gegenĂŒber 15,08% und 19 Sitzen fĂŒr die Arbeitspartei und nur 8,99% und 12 Sitzen fĂŒr den Likud, der jetzt wieder von Benyamin Netanyahu gefĂŒhrt wird.
Olmert gelingt eine Koalition mit der Arbeitspartei, der sephardischen Shas und einer kleinen liberalen Partei, der “Renterpartei” Gil, die mit 5.9% einen ephemeren Erfolg erzielt und erstmals eine ausschließlich soziale . Zielsetzung hat: die Absicherung im Alter.
Das große Projekt Olmerts und seiner Partei ist es, die Idee der Sicherheit durch territoriale Trennung zwischen Israelis und PalĂ€stinensern, also in abgewandelter Form den Plan des Osloer Friedensabkommens, fortzufĂŒhren.

 

 

Flickr_-_Israel_Defense_Forces_-_The_Evacuation_of_Kfar_Darom_(16)

Widerstand von Siedlern in  Kfar Darom gegen die erzwungene Aufgabe der Siedung  im Gaza-Streifen. >Wikimedia Commons

 

Ehud Olmert. Dies war biographisch eine zwar nicht so abrupte Kehrtwende wie bei Sharon, aber in der Sache gleichwohl radikale eines Politikers, der auf der Ă€ußersten Rechten begonnen hat, den “Revisionisten”, die sich gegen Ben Gurion und den linken Zionismus stellten und von einem Großisrael trĂ€umten, und die sich nach der GrĂŒndung Israels der von Menachem Begin gefĂŒhrten Partei Herut sammelten,. 1966 trat er, 21jĂ€hrig, auf einem Parteitag sogar als scharfer Kritiker Begins hervor, weil die Partei bei den Wahlen immer schlechter abschnitt. 1973 wurde Olmert jĂŒngster Knesset-Abgeordneter des neu gegrĂŒndeten ParteienbĂŒndnisses Likud, das von Begin und Sharon zusammengefĂŒhrt wurde (vgl. Olmert, S. 44ff, 51ff.). Nach dem Abkommen mit Ägypten und dem RĂŒckzug vom Sinai hat die Regierung Begin die historische Chance verpasst, auch eine Lösung fĂŒr das Westjordanland zu finden, schreibt Olmert im biographischen RĂŒckblick. Dieses Gebiet gehört zum historischen Großisrael:

    “Alles, was dort im Boden begraben ist, in jedem Teil von JudĂ€a und Samaria und einigen Teilen östlich des Flusses, ist Teil unserer Vergangenheit. Die Wahrheit der biblischen Geschichten wird aufs Neue mit jeder archĂ€ologischen Entdeckung offenbart. Da gibt es keinen Bezug zu Arafat, zu den PalĂ€stinensern oder zu irgendeinem arabischen oder muslimischen Stamm, der ihren Anspruch auf das Land rechtfertigen wĂŒrde.
    Aber wenn wir jemals den Zustand des stĂ€ndigen Krieges beenden wollen, mĂŒssen wir doch die Territorien aufgeben, die wir von Jordanien 1967 erobert haben. Die meisten von ihnen. Fast alle von ihnen.” (S. 60f.).

Moshe Dayan sei dies nach 1967 bewusst gewesen, schreibt Olmert, doch sein Plan kam damals nicht zum Zuge (siehe >Nahost5).
Das sieht Olmert im biographischen RĂŒckblick so, es entsprach aber erst seiner Position von 2006-2008. (Mehr dazu auf der nĂ€chsten Seite). 1990 war er jedoch noch gegen die Baker-Initiative, die drei Jahre spĂ€ter zum Osloer Vertrag fĂŒhrte, und gehörte zu jenen um Sharon, die befĂŒrchteten, dass Schamir wackeln wĂŒrde. Das war damals mangels klaren Mehrheiten in einer großen Koalition zwischen Likud und Arbeitspartei nach dem Rotationsprinzip fĂŒr den MinisterprĂ€sidenten. Klar war, dass der linke Koalitionspartner die Baker-Initiative unterstĂŒtzte (siehe >Nahost5). Nach dem Bruch der Koalition bekam Olmert von Schamir den Auftrag, ein Komitee zu leiten, das einen Ausweg aus der Lage durch die Bildung einer neuen Mehrheit finden sollte. Dies gelang unter anderem, indem die Shas durch Druck des Rabbinats zu einem Kurswechsel nach rechts bewegt wurde, schreibt Olmert. In der neuen Regierung konnte er einfĂ€deln, dass Sharon das Wohnungsbauministerium bekam und dazu auch die “Landhoheit”, was konkret hieß, dass er fĂŒr den Siedlungsbau in den besetzen Gebieten zustĂ€ndig wurde (S. 86-88).
Im Jahr des Osloer Vertrages 1993 wurde Olmert der erste nicht-linke BĂŒrgermeister von Jerusalem. “Wir auf der Rechten wollten mit Oslo nichts zu tun haben und weigerten uns, irgendeinen territorialen Kompromiss zu billigen - Positionen, die sich mit der Zeit Ă€ndern sollten, nicht zuletzt in meinem eigenen Denken.” (S. 129).

 

 

 

 

Ehud Olmert: Searching for Peace. A Memoir of Israel. Washington: Brookings, 2022.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Der Nahostkonflikt nach dem israelischen RĂŒckzug aus Gaza 2005 bis heute